Veganuary Teil IV: Kopf und Kragen riskieren
In der weltweiten Lederindustrie geht es den Tieren in der Tat an den Kragen, denn jedes Jahr werden die Häute von über 1,4 Milliarden Rindern, Ziegen und Schafen verarbeitet. Ein Großteil der Tiere wird in Billigproduktionsländern ohne greifende Tierschutzgesetze wie China, Indien, Brasilien oder Bangladesch getötet. Danach werden ihre Häute mit Tonnen von Salz bedeckt um nicht zu verwesen, bevor sie an die Gerbereien geliefert werden. Dort angekommen, werden die sogenannten Rohhäute unter enorm hohem Wasserverbrauch weiterverarbeitet. Besonders gefährlich ist das Gerben mit schwer recycelbarem Chrom, womit heute 85 Prozent der weltweit vermarkteten Lederprodukte haltbar gemacht werden. Gerbereizusätze wie Formaldehyd, Schwefelsäure oder Natriumsulfat belasten die örtlichen Gewässer zusätzlich. Neben diesen Substanzen enthalten die toxischen Gerbereiabwässer enorme Mengen anderer Schadstoffe wie Proteine, Haare, Salze, Kalkschlamm, Sulfide und Säuren. Abwässer klären? In der Regel Fehlanzeige.
Die Liste der „Leder- und Felllieferanten“ ist unendlich: Neben Rindern, Ziegen und Schafen sind Bären, Alpakas, Robben, Biber, Nerze, Füchse, Hunde, Marderhunde, Katzen, Pferde, Kängurus, diverse Reptilien oder auch Stechrochen und Haie wegen ihrer Häute und/oder Felle beliebt. Mir kommt vor, dass in den letzten Jahren vermehrt Pelzgeschäfte öffnen, nachdem Pelz die letzten 20-25 Jahre eher verpönt war. Warum das so ist? Gute Frage! Ist Tierschutz nicht mehr hip? Wer sind hier die Kund*innen?
In China werden jedes Jahr geschätzte 2 Millionen Hunde und Katzen ihrer Felle und Häute wegen getötet und als Handschuhe oder Gürtel in alle Welt exportiert. Da es in Europa keine umfassenden Kontrollen bezüglich der Tierart von Lederwaren gibt, gelangen solche Hundelederprodukte meist unentdeckt zu uns. Ich erinnere an diese fürchterlichen Hauben mit Pelzbommel, die glücklicherweise wieder außer Mode gekommen sind. Oft trugen Damen diese in passender Farbe zu ihrem geliebten Hund, wohl ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass die Bommel am Kopf auch einmal ein Hund war. Zumindest ein Marderhund. Generell sind bei der Lederkennzeichnung keine Angaben über die Tierart, das Herkunftsland des Tieres noch Informationen über die benutzten Chemikalien eines Lederproduktes vorgeschrieben. Schade!
Schlangen und Eidechsen werden für Schuhe, Handtaschen und Uhren aus Exotenleder oft lebendig gehäutet. Großen Schlangen wie Pythons wird ein Schlauch in das Maul eingeführt. Anschließend werden die Tiere mit Wasser vollgepumpt, damit sich die Haut löst. Schlangen sind oft noch bei vollem Bewusstsein, wenn sie mit Haken oder Nägeln durch den Kopf an einen Baum geschlagen und ihnen die Haut vom Körper gezogen wird. Sie winden sich noch, wenn ihre gehäuteten Körper auf einen Haufen geworfen und zurückgelassen werden, bis sie schließlich an Schock oder Wassermangel sterben. Das kann bei Reptilien lang dauern.
Vegane Alternativen sind meist natürlichen Ursprungs:
Während hochwertiges Kunstleder schon jetzt überall erhältlich ist, werden stetig neue Technologien entwickelt, um aus Pflanzenfasern lederartige Materialien herzustellen: Ananasleder, Weinleder aus den Traubenresten der Weinherstellung sowie Leder aus Pilzen und Kork. Diese Materialien sind nicht nur tierfreundlich, sondern zugleich umweltverträglich und ressourcenschonend.
Bei der meisten Wolle handelt es sich um die weichen Haare des Fells von Schafen, es gibt allerdings auch Wolle, die von Ziegen („Kaschmir“), Kamelartigen wie Alpakas und Angorakaninchen stammt. Die größten Schafwolle-Produzenten sind Australien und Neuseeland, wobei dort vor allem die feinere Wolle aus Merinoschafen gewonnen wird. Das schmerzhafte „Mulesing“* der Schafe ist Standard, es ist gar nicht so leicht 100% mulesingfreie Wollprodukte zu bekommen. Die heimische Wolle ist oft teurer und nicht so fein, weswegen sie teilweise gar nicht für Kleidung verwendet wird sondern bestenfalls für Filzpatschen oder Walkstoffe. Österreichische Wolle wurde in der Vergangenheit häufig als unrentables Nebenprodukt der Schaffleischindustrie einfach entsorgt, in jüngster Zeit wird sie zum Beispiel auch als Dämmmaterial oder Dünger verwendet.
Schafe werden bei der Schur oft stark misshandelt. Ein Grund dafür ist, dass die Scherer nicht pro Stunde, sondern pro Stück geschorenem Schaf, bezahlt werden. Durch die grausame Behandlung werden den Tieren Körperteile abgeschnitten, ihnen werden klaffende Wunden zugefügt, die ohne Betäubung genäht werden.
Fast die komplette Weltproduktion für Angora-Wolle ist in China angesiedelt. Die Kaninchen fristen dort ihr Leben ohne Bewegung und Beschäftigung in Einzelkäfigen. Drei bis vier Mal im Jahr werden sie auf Streckbänke gespannt und ihnen wird das Fell ohne Betäubung aus der Haut gerissen. Da die männlichen Tiere weniger Fell haben, werden sie meistens gleich nach der Geburt getötet, insofern ersparen sie sich wenigstens die Qualen der Streckbank. Auch den Kaschmir- und Angoraziegen wird die Unterwolle ihres Fells nicht liebevoll ausgekämmt. Die scheuen Tiere leiden bei der Wollentnahme ebenso stark, denn bei der Schur von Ziegen für die Produktion von Mohair und Kaschmir werden die Tiere meist an den Beinen gefesselt. Alpakas wiederum geraten bei der Schur in solche Panik, dass sie spucken und laut schreien.
Das Leid der Tiere beschränkt sich allerdings nicht auf Australien. Auch in Europa werden qualvolle Standardprozeduren an Schafen durchgeführt, darunter etwas die betäubungslose Kastration mittels Gummiringen oder das schmerzhafte Abtrennen ihres Schwanzwirbels.
Seide stammt vom Seiden- oder Maulbeerspinner. Das sind südostasiatische Schmetterlingsarten. Bevor die Raupen jedoch zu Schmetterlingen werden können, werden sie bei lebendigem Leibe gekocht oder mit heißem Dampf getötet.
China und die Mongolei produzieren zusammen 90% des weltweit vermarkteten Kaschmirs und sind die weltweit führenden Exportländer der Wolle.
Der Großteil der weltweit gehandelten Ziegenwolle wird auf riesigen Farmen gewonnen, Massentierhaltung pur.
Dass Daunen auch hauptsächlich aus China stammen, und wie diese gewonnen werden, können wir uns jetzt denken. Wie die Gänse und Enten gehalten werden auch.
Was also tun? Mitdenken, lesen, nachfragen, und im Zweifelsfall vermeiden. Wolle, Pelz und Daunen existieren in meinem Haushalt ohnehin nicht, aber auch Lederschuhe trage ich mittlerweile eher auf, meine Sneakers sind bereits größtenteils lederfrei, meine Taschen und Autositze aus Stoff. Luxus darf nicht auf Menschenleid beruhen, aber auch nicht auf Tierleid oder auf Kosten der Natur. Ein bissl Mitdenken und den Konsum Zurückschrauben hilft bereits, egal ob beim Essen und Trinken oder bei Kleidung, Möbeln und Accessoires.
*Mulesing: Merino-Schafe werden zusätzliche Hautfalten angezüchtet, um noch mehr Wolle zu erhalten. In diesen Hautfalten sammeln sich jedoch Nässe und Urin; als Folge nistet sich gerne eine bestimmte Fliegenart in die Hautfalten ein und legt dort ihre Eier. Gibt es keine Maßnahmen, werden die Schafe von den Larven bei lebendigem Leibe aufgegessen. Um dies zu verhindern, wird den Lämmern ohne Narkose ein tellergroßes Stück Fleisch um den Schwanz herum herausgeschnitten.