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Ein feministisches Plädoyer für Tierrechte

Bildquelle: Pixabay

Wenn wir die Geschichte der Menschheit seit der Sesshaftwerdung betrachten, ist Tiere töten und Tiere essen schon immer männlich konnotiert und patriarchal vorgegeben. Waren es zu Beginn die Jäger – im Gegensatz zu den Sammlerinnen- die das Tier gejagt, erlegt und dann als Trophäe nach Hause gebracht haben, war – und ist bis heute – die Jagd eine Demonstration der männlichen Kraft und Herrschaft über das Tier. Der Verzehr des Fleisches wird als eine Notwendigkeit zum Erhalt der gesunden Männlichkeit und männlichen Gesundheit gerechtfertigt. In Gesellschaften, in denen das Fleisch aus welchen Gründen auch immer knapp wird, ist dieses den Männern vorbehalten. Die Biologisierung des Fleischverzehrs hält sich bis heute. Je mehr stereotype Rollenbilder gelebt werden, desto mehr ist Fleisch essen männlich, fleischlose Kost ein Zeichen von Schwäche, wie der amerikanische Sozialpsychologe Hank Rothgerber an Hand zweier Studien feststellte. Je weniger Fleisch konsumiert wird, desto egalitärer ist eine Gesellschaft. Wie der weiße heterosexuelle Mann vom Patriarchat als die Norm festgelegt worden ist, so wurde auch das Fleisch essen Norm-bildend. Wie Frauen, Menschen anderer Hautfarbe, anderer Sexualität oder Klasse für gesellschaftliche Anerkennung kämpfen mussten, so müssen auch VegetarierInnen und VeganerInnen für ihre gesellschaftliche Akzeptanz streiten, erklären, diskutieren.

Wie Frauen in der Geschichtsschreibung gerne „vergessen“ wurden, wurde auch ihr Einsatz und Eintreten für Tiere ausgespart.

Die Allianz von Frauen und Vegetarismus in der Geschichte und in der Literatur wurde verzerrt und das aufschlussreiche Netzwerk von Feministinnen und VegetarierInnen daher überhaupt nie dargestellt. Teile der Theorien von vegetarischen Feministinnen wurden verschwiegen. Wir haben es also mit einer doppelt verschwiegenen Geschichte zu tun: der verschwiegenen Geschichte der Frauen und der verfälschten Geschichte des Tierrechtsaktivismus“. (Zum Verzehr bestimmt, Carol J. Adams 2002)

Vegetarismus wurde zu trivial gesehen, um ihn in der feministischen Geschichtsschreibung zu behandeln, vegetarische, feministische Texte wurden zum abwesenden Referenten.

Wie Vegetarismus in der Geschichtsschreibung ausgespart wird, so ist auch das Tier in der Sprache des Essens nicht vorhanden, sondern durch den Begriff Fleisch als Nahrungsmittel ersetzt. Wie die Frau in der Sprache abwesend ist, ist hier auch das Tier abwesend. Die Abwesenheit der Referenten in der Sprache verschleiert die Gewalt. Wie auch in der Diskussion um gendergerechte Sprache, wird auch hier die Abwesenheit des Referenten und dessen Wirkung nicht erkannt. Die Vergegenständlichung von Tier zu Fleisch erlaubt es den Unterdrückenden dem unterdrückten Objekt Gewalt anzutun.

Auch Frauenkörper werden durch die Metapher Fleisch zu Objekten und Sexualware gemacht, ob als „Frischfleisch“ -Bezeichnung für ganz junge Frauen-, „Freiwild sein“ uvm. oder durch sexistische Werbung: http://www.purpurr.at/unterschied-sexy-und-sexistisch/tierhauslandhof/ , oder sogar auf Körperteile reduziert: https://www.derstandard.at/story/1244461017205/gruene-fuer-verbot-von-sexistischer-werbung Patriarchale Reduzierung der Frau auf Körper und Körperteile ist eine Entwürdigung, eine Aberkennung des Subjektstatus und eine Machtasymmetrie, die meint Gewalt rechtfertigen zu können.

Ein anderer Aspekt der Abwertung in der Sprache findet an Tieren durch scheinbare charakteristische Eigenschaften, die Tieren zugeschrieben werden, statt: stur wie ein Esel, Dreckspatz, dumme Gans, wir kennen sie ja alle. Aber auch das biologisierte Weibliche wird zur Abwertung eingesetzt: er läuft wie ein Mädchen, zänkisch wie ein Weib, Zicke usw. Sprache ist mächtig, Sprache kann uns täuschen, beeinflussen und Gewalt verschleiern. Deshalb ist nicht nur eine gendergerechte Sprache so wichtig, sondern auch eine Sprache, die Tiere als Lebewesen benennt. Unser Umgang mit Sprache trägt viel dazu bei, wie wir einander begegnen, denn sie macht Bilder im Kopf.

Sollte mir von feministischer Seite nun vorgeworfen werden, ich setze Frauen mit Tieren gleich, wie das Carol J. Adams oft vorgeworfen wird, weise ich das zurück. Es geht mir um Lebewesen und ich will aufzeigen, wie das Patriarchat sich herausgenommen hat, den Mann über alle anderen Menschen und Lebewesen zu stellen. Meine Kritik gilt der durch das Patriarchat erfolgten Unterdrückung, die bis zur biblischen Schöpfungsgeschichte zurückreicht: Frau und Tier sind schuld am Sündenfall und Mann hat somit die Legitimation zu Herrschaft und Unterdrückung.

Ein Feminismus, der gegen das Patriarchat und gegen die Unterdrückung der Frau kämpft, muss auch gegen die Unterdrückung und Ausbeutung anderer Lebewesen kämpfen. Die feministische Theorie, die Tierrechtstheorie und die Antirassismusarbeit haben eines gemeinsam: sie leisten Bewusstseinsarbeit gegen die Unterdrückung und Ausbeutung von Lebewesen.

Die Reduktion auf Naturhaftigkeit, Körper und Instinkt, sowie die Unterstellung eines Mangels an Vernunft und Individualität, die im Fall der Tiere deren Versachlichung ermöglicht und die totale Herrschaft über ihre Körper und Psychen sichert, gehörte über zweitausend Jahre lang auch zum Ausgrenzungs- und Unterdrückungsmuster gegenüber Frauen“. (Das Mensch-Tier-Verhältnis: eine sozialwissenschaftliche Einführung, Kapitel: Die soziale Konstruktion des Anderen – Zur soziologischen Frage nach dem Tier, Birgit Mütherich)

Mir geht es als Feministin um einen ethischen Vegetarismus/Veganismus, denn die gesundheitliche Begründung des Vegetarismus/Veganismus unterliegt Modetrends und die ökologische Begründung oft der politischen Einstellung, beides kann sich ändern. Isst ein Mensch aber deshalb kein Fleisch, weil er erkennt, dass ein Tier ein leidensfähiges Lebewesen ist, das Schmerz, Angst, aber auch Liebe und Freude empfinden kann, hat er ein dauerhaftes Motiv. Darüber hinaus wird er erkennen, dass es in dieser Gesellschaft eine starke Lobby braucht, die sich für Tiere einsetzt. Denn auch sie haben ein Recht auf Leben, wie wir haben sie nur das eine.

Verfasst von Andrea Diawara